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OLG Düsseldorf: Kein Versicherungsschutz für Haftungsansprüche gem. § 64 GmbHG

Versicherungsbedingungen gängiger D&O-Versicherungen für GmbH-Geschäftsführer bieten keinen Schutz bei einer Inanspruchnahme aus § 64 GmbHG

Versicherungsbedingungen gängiger D&O-Versicherungen für GmbH-Geschäftsführer bieten keinen Schutz bei einer Inanspruchnahme aus § 64 GmbHG.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat ein als Grundsatzentscheidung zu wertendes Urteil getroffen, in dem es zu dem Schluss kommt, dass Ansprüche auf Ersatz von Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife durch den Geschäftsführer geleistet werden, nicht vom Versicherungsschutz einer D&O-Versicherung umfasst sind, denen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und leitenden Angestellten (ULLA) zugrunde liegen.

Der Fall

Geschäftsführer einer GmbH sind nach § 64 GmbH-Gesetz verpflichtet, der Gesellschaft Zahlungen zu erstatten, die nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet werden. Klägerin des Verfahrens war die Geschäftsführerin einer GmbH, über deren Vermögen im Dezember 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Der Insolvenzverwalter hatte festgestellt, dass die Gesellschaft bereits seit Januar 2011 nicht mehr in der Lage war, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen und damit Insolvenzreife bestand. Er machte für den Zeitraum von Januar bis November 2011, dem Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung, Ansprüche in Höhe von etwa 300.000,- € geltend. Die Klägerin zeigte der Versicherung ordnungsgemäß den Eintritt des Versicherungsfalles an und begehrte Freistellung von der Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter. Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen von Unternehmensleitern und leitenden Angestellten zugrunde.

Die Entscheidung

Das Gericht hat zunächst festgestellt, dass Ansprüche der Geschäftsführerin gegen die D&O-Versicherung nicht daran scheitern, dass der Klägerin eine vorsätzliche Herbeiführung des Schadens vorgeworfen werden könne. Dass ein zivilrechtlicher Anspruch nach § 64 GmbHG besteht (dies stand vorliegend fest, weil der Insolvenzverwalter bereits einen Titel gegen die Klägerin erwirkt hatte), genüge dafür nicht. Während der Anspruch gem. § 64 GmbHG lediglich verschulden voraussetzt, führt nach den Versicherungsbedingungen nur ein nachgewiesener direkter Vorsatz, d.h. eine bewusste Zahlung in Kenntnis der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit, zum Verlust des Versicherungsschutzes. Dass diese Voraussetzungen vorlagen, stand im entschiedenen Fall nicht fest.

Ein Anspruch gegen die Versicherung scheitert nach Ansicht der Düsseldorfer Richter aber daran, dass derartige Ansprüche grundsätzlich nicht vom Schutz solcher Vermögensschadens-Haftpflichtversicherungen umfasst sind.

Gegenstand der Versicherung sei der Schutz des Vermögens der Gesellschaft. Der Anspruch gem. § 64 GmbHG bestehe dagegen einerseits unabhängig davon, ob der GmbH ein Schaden entstehe. Häufig entsteht der Gesellschaft durch Zahlungen, die der Geschäftsführer leistet, kein Schaden: im Regelfall werden durch die Zahlungen Verbindlichkeiten der Gesellschaft erfüllt, die dadurch erlöschen. Der Entfall einer Verbindlichkeit stellt einen Vermögensvorteil dar, sodass kein Schaden im Sinne einer Vermögensminderung besteht. Nur solche Schäden sind aber – so das OLG Düsseldorf –  Gegenstand der D&O-Versicherung.

Ferner wiesen die Richter darauf hin, dass § 64 GmbHG nicht die Gesellschaft, sondern deren Gläubiger schütze. Die Regelung sei auf die Erhaltung der Insolvenzmasse gerichtet, damit diese zur bestmöglichen Verteilung an die Gläubiger zur Verfügung stehe. Insoweit lege § 64 GmbHG dem Geschäftsführer auch kein „Zahlungsverbot“ auf, sondern sorge lediglich dafür, dass Abflüsse der späteren Insolvenzmasse durch den Geschäftsführer auszugleichen seien, sodass ihm das wirtschaftliche Risiko dieser Zahlungen auferlegt werde.

Dass diese Sichtweise zu Deckungslücken beim Versicherungsschutz führt, haben die Richter erkannt. Allerdings sei allein der Umstand, dass es in Insolvenzverfahren häufig zu derartigen Inanspruchnahmen der Geschäftsführer komme und diese dann nicht versichert seien, kein Grund, den Versicherungsschutz über eine Auslegung der Versicherungsbedingungen auszudehnen. Im Übrigen sei durch die Versicherung nicht jede Inanspruchnahme abgedeckt, sondern eben nur solche, die in den Bedingungen vorgesehen sind. Letztlich sei es ohne weiteres möglich, die Ansprüche mit aufzunehmen, was nach dem Standardklauselwerk der Versicherungsgesellschaften aber eben nicht der Fall sei.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung ist bisher nicht rechtskräftig, die Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BGH anhängig. Insofern bleibt abzuwarten, ob die – nicht unproblematische – Sichtweise des OLG bestätigt wird. Dass der Senat in Düsseldorf die Versicherungsbedingungen „buchstabengetreu“ auslegt ist jedenfalls nicht im Sinne der Geschäftsführer. Der Abschluss einer D&O-Versicherung erfolgt gerade, um den Geschäftsführer – umfassend – abzusichern. Dabei ist das Interesse des Geschäftsführers darauf gerichtet, seine persönliche Haftung zu minimieren, unabhängig davon, ob der Schaden „auch“ bei der Gesellschaft entsteht oder „nur“ die persönliche Inanspruchnahme des Geschäftsführers für Ansprüche nach § 64 GmbHG abgesichert werden soll.

Gleichwohl sollten bestehende Verträge darauf überprüft werden, ob die Allgemeinen Versicherungsbedingungen Anwendung finden und damit die vom OLG Düsseldorf beschriebene Lücke besteht. Anderenfalls muss geprüft werden, ob die Bedingungen angepasst werden können und der Versicherer bereit ist, den Geschäftsführer auch gegen Ansprüche aus § 64 GmbHG abzusichern.

Erweiterte Vermögensschaden-Haftpflicht-Versicherung?

Im kirchlichen Bereich wird häufig keine D&O-Versicherung, sondern eine erweiterte Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung abgeschlossen, deren Umfang über die D&O-Versicherung hinausgeht. Auch hier bestehen aber mit Blick auf die Argumentation des OLG Düsseldorf, Zahlungen entgegen § 64 GmbHG führten nicht zu einem Vermögensschaden der Gesellschaft, Zweifel, ob diese Versicherung eingreift. Auch insoweit ist zu prüfen, ob eine Anpassung des Vertrages und eine explizite Aufnahme der Ansprüche in die Versicherung möglich ist.

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