Belegarztanerkennung Keine Regel ohne Ausnahme

Das Landessozialgericht (LSG) München hat sich in einem Fall mit der Frage beschäftigt, in welcher Zeit ein Belegarzt von seinem Praxissitz aus ein Belegkrankenhaus zu erreichen hat.Grundsätzlich muss ein Belegarzt nach ständiger Rechtsprechung innerhalb von 30 Minuten von seinem Praxissitz aus die Belegklinik erreichen können. In einem vom LSG München entschiedenen Fall erfüllt der potenzielle Belegarzt diese Zeitvorgabe nicht. Die Entfernung zwischen Vertragsarztsitz und Belegklinik beträgt circa 42 km, die Fahrtzeit damit rund 39 Minuten. Trotzdem war die Belegarztanerkennung zu erteilen, da der Kläger in einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft tätig ist und die anderen Gesellschafter der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft, die in derselben Belegklinik belegärztlich tätig sind, innerhalb von 30 Minuten das Haus erreichen können (Urteil vom 22. Januar 2020 – L 12 KA 10/19). Der FallStreitig ist die Belegarztanerkennung eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Vertragsarztsitz in A. Der Kläger schloss mit der Belegklinik in B. einen Belegarztvertrag, wonach er als Belegarzt im Sinne eines kooperativen Behandlungssystems tätig ist. Er ist zugleich Gesellschafter einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft mit Hauptsitz in B. Die Mitgesellschafter sind ebenfalls als Belegärzte in derselben Klinik tätig. Die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) versagte die Belegarztanerkennung, weil wegen der Entfernung zwischen Vertragsarztsitz des Klägers in A. und Belegklinik in B. von circa 42 km bei einer Fahrtzeit von rund 39 Minuten weder eine unverzügliche und ordnungsgemäße Versorgung der Belegpatienten noch der ambulanten Patienten des Klägers an seinem Vertragsarztsitz gewährleistet sei. Der Kläger macht geltend, dass er Gesellschafter einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft ist, die ihren Hauptsitz in unmittelbarer Nähe (circa 5 km) der Belegklinik in B. hat und dass sämtliche Ärzte dieser Berufsausübungsgemeinschaft in derselben Klinik belegärztlich tätig sind. Bei der Prüfung seiner Eignung als Belegarzt muss daher auch berücksichtigt werden, innerhalb welcher Zeit seine ebenfalls belegärztlich tätigen Kollegen in B. die Klinik erreichen können. Die Entfernung zwischen dem Hauptsitz der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft in B. und der Belegklinik in B. beträgt schließlich nur 5 km und die durchschnittliche Fahrtzeit nur 10 Minuten. Die Belegbetten in der Orthopädie werden zudem kooperativ von mehreren Belegärzten genutzt, sodass die unverzügliche und ordnungsgemäße Versorgung der Patienten in der Belegklinik durch ihn selbst und die anderen belegärztlich tätigen Gesellschafter seiner Berufsausübungsgemeinschaft sowie die angestellten Klinikärzte der ebenfalls noch vorhandenen Hauptabteilung Orthopädie gewährleistet ist. Das SG München gab dem Kläger Recht und verurteilte die KÄV, die Belegarztanerkennung zu erteilen. Die hiergegen eingelegte Berufung der KÄV zum LSG München war erfolglos. Das Urteil In der Urteilsbegründung heißt es sinngemäß, dass eine unverzügliche und ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten grundsätzlich zwar nur gegeben sei, wenn der Belegarzt innerhalb von circa 30 Minuten Fahrtzeit sowohl von seiner Wohnung als auch von seiner Praxis aus das Belegkrankenhaus erreichen könne, die Zeitvorgabe von 30 Minuten sei jedoch keine starre Grenze. Vielmehr müsse anhand der Umstände des Einzelfalls geprüft werden, ob ausnahmsweise eine geringfügige Abweichung von der 30-Minuten-Regel vertretbar sei. Das sei – so wie im entschiedenen Fall – v.a. dann zu bejahen, wenn der Belegarzt in einer für die belegärztliche Tätigkeit relevanten ärztlichen Kooperationsform tätig sei. Der Kläger hätte sich schließlich mit anderen Orthopäden, die ebenfalls Belegärzte der Belegklinik waren, zusammengeschlossen und sei auf der Grundlage des mit der Belegklinik abgeschlossenen Belegarztvertrages im Rahmen eines kooperativen Belegarztwesens tätig. Unter einem kooperativen Belegarztwesen verstehe man die Zusammenarbeit mehrerer Belegärzte desselben Fachgebiets innerhalb einer als Belegabteilung geführten Fachabteilung des Krankenhauses (§ 121 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Dadurch werde eine gemeinsame Versorgung der Patienten, die Organisation des Bereitschaftsdienstes und der stationären Rufbereitschaft gewährleistet. Zudem stelle die belegärztliche Tätigkeit des Klägers nicht das Schwergewicht seiner Gesamttätigkeit als Vertragsarzt dar, sodass er noch in erforderlichem Maße für die ambulante Versorgung zur Verfügung stehe. Daher sei ihm die Belegarztanerkennung zu erteilen. Auswirkungen auf die PraxisWollen sich mehrere Ärzte zu einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft zusammenschließen und gemeinsam belegärztlich tätig sein, so ist dies grundsätzlich nur möglich, wenn von allen Vertragsarztsitzen und Wohnorten der Gesellschafter aus die Belegklinik innerhalb von 30 Minuten Fahrtzeit erreichbar ist. Nunmehr dürfte ein Abweichen von dieser 30-Minuten-Regel möglich sein, vorausgesetzt, es handelt sich um eine kooperative belegärztliche Tätigkeit. Entsprechende Regelungen sollten sowohl in den Belegarztvertrag mit der Belegklinik als auch in den Gesellschaftsvertrag der Berufsausübungsgemeinschaft aufgenommen werden. Endgültig steht dies aber noch nicht fest, da das Urteil des LSG München nicht rechtskräftig ist. Die KÄV hat Revision zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegt (Az. des BSG: B 6 KA 6/20 R). Es bleibt somit abzuwarten, ob das BSG die Rechtsprechung des LSG München in letzter Instanz bestätigen wird. Grundsätzlich muss ein Belegarzt nach ständiger Rechtsprechung innerhalb von 30 Minuten von seinem Praxissitz aus die Belegklinik erreichen können. Sylvia Köchling

Belegarztanerkennung Keine Regel ohne Ausnahme

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