Bild: Steine

Erfahrung schafft Vertrauen

Risikomanagement im Krankenhaus - erfolgreich einführen und betreiben

1. Einleitung

Risiko ist „die Bugwelle des Erfolgs“. Wer vorankommen will, muss Risiken bewusst eingehen.

Risiken ergeben sich durch Marktveränderungen und im Handeln des Krankenhauses. Den Risiken muss zur Sicherung der Zukunft und der Wettbewerbsfähigkeit aktiv begegnet werden – vom Management und mit den Mitarbeitern. Es ist existenzgefährdend, sich darauf zu verlassen, dass Risiken zufällig entdeckt werden oder sie „links liegen zu lassen“. Vielmehr gilt es, Risiken frühzeitig zu erkennen und mit konkreten Maßnahmen zu begegnen.

Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Krankenhäuser sich mit ausgewählten Risiken beschäftigen. Kontrollsysteme sind in den meisten Häusern implementiert. Qualitätsmanagement ist eingeführt. Häufig fehlt den Instrumenten jedoch der Blick in die Zukunft, und eben dieser ist für eine aktive Steuerung entscheidend.

Risikomanagement im Überblick

Abbildung 1: Risikomanagementsystem im Überblick (Quelle: BPG Unternehmensberatung)

 

Ein individuelles, umfassendes und integriertes Risikomanagementsystem bestehend aus Kontrollsystem, Früherkennungssystem und Abwehrsystem ergibt sich als logischer Schluss.

Unsere Erfahrung zeigt, dass eine besondere Herausforderung im „Leben“ des Risikomanagements liegt. Trotz Einsicht bei den Mitarbeitern sind Inhalte und Nutzen des Systems bis in operative Teilbereiche keine Selbstverständlichkeit und zeitliche Restriktionen werden vorgeschoben. Unser Hinweis: es geht zunächst darum „die richtigen Dinge zu tun“, also Effektivität und dann auch um Effizienz.

2. Projektaufsatz und Exploration

Risikomanagement ist aus unserer Sicht ein fester Bestandteil der Unternehmenssteuerung und zwar als integriertes System innerhalb der bestehenden weiteren Managementsysteme (z.B. Qualitätsmanagement) und Instrumente (z.B. Leistungs- oder Finanzcontrolling).

Die initiale Implementierung des Risikomanagement-Systems erfolgt in Form eines Projekts. Das Projekt unterteilt sich in 4 Phasen: Exploration, Konzeption, Implementierung und Erfolgscontrolling.

Phasenplan für die Einführung von Risikomanagement

Abbildung 2: Phasenplan für die Einführung von Risikomanagement in einem Krankenhaus (Quelle: BPG Unternehmensberatung)

 

Im Krankenhaus sind circa 8 Monate Projektlaufzeit eine realistische Zeitvorgabe, wobei individuell auf die Bedürfnisse des Hauses sowie die Verfügbarkeit der beteiligten Mitarbeiter geachtet werden muss.

 

Auswahl von zu beantwortende Fragestellungen in dieser Phase:

  • Welche Ziele werden verfolgt?
  • Wer sind die Beteiligten?
  • Was existiert (und funktioniert) bereits?
  • Wie tief wird das System implementiert?

 

Besondere Herausforderungen aus unserer Sicht:

  • Echte Ziele benennen
  • Konkretisierung der Ziele
  • Integration in Bestehendes beachten
  • Wichtige Bereiche des Unternehmens einbinden

3. Konzeptionsphase – Risikostrategie bis Controlling

Wir legen besonderen Wert auf ein systematisches Vorgehen. Die Praxis zeigt, dass Erkenntnisse zur Risikostrategie in allen Phasen gewonnen werden können.

Risikostrategie

Abbildung 3: Der Risikomanagementprozess (Quelle: BPG Unternehmensberatung)

3.1 Risikostrategie

Risiken werden bewusst eingegangen, um Geschäftschancen zu nutzen, andere entstehen zwangsläufig im operativen Geschäft. Vorzugsweise werden nur die Risiken eingegangen, die notwendig sind, um die Unternehmensziele zu erreichen. Allerdings kennt man die „nicht notwendigen Risiken“ häufiger erst im Nachhinein.

Die Risikostrategie steht in Wechselwirkung mit der Unternehmensstrategie und den Unternehmenszielen und richtet sich nach der Risikoneigung (risikoavers - risikofreudig) des Unternehmens.

Die Erfahrung zeigt, dass die Risikostrategie nicht vollständig in nur einem Schritt gebildet wird. Vielmehr zeigt die Praxis, dass im Projektverlauf neue Erkenntnisse erlangt werden, die die initiale Risikostrategie ergänzen oder modifizieren.

 

Auswahl von zu beantwortende Fragestellungen in dieser Phase:

  • Welche Strategie verfolgt das Unternehmen?
  • Welche Ziele verfolgt das Unternehmen?
  • Wie ist die Risikoneigung im Unternehmen?
  • Besteht ein einheitliches Risikoverständnis?
  • Was ist im Unternehmen kommuniziert?

 

Besondere Herausforderungen aus unserer Sicht:

  • Konkretisierung von Strategie und Zielen
  • Herunterbrechen auf Teilbereiche
  • Gleichgewicht zwischen Risikoilluminierung und Handlungsspielräumen
  • Nicht zu viel in einem Schritt wollen

3.2 Risikoidentifikation

Als Instrument zur Strukturierung der Themen setzen wir regelmäßig die Perspektiven der Balanced Scorecard ein. Hierdurch stellen wir sicher, dass alle wesentlichen Punkte in die Überlegungen integriert werden und keine einseitige Fokussierung (z.B. auf Finanzen) stattfindet. Beispiele sind in der Grafik dargestellt.

Risiko Tool

Abbildung 4: Ausschnitt Risiko-Tool, angelehnt an die Perspektiven der Balanced Scorecard (Quelle: BPG Unternehmensberatung)

 

Risiken der Unternehmensebene finden sich standardmäßig in den einzelnen Bereichen wieder. Es ist daher sinnvoll, Risiko auf Teilbereiche zu kaskadieren und durch bereichsspezifische Risiken, die sich wesentlich detaillierter mit der täglichen Arbeit befassen zu ergänzen.

Konkrete Risiken auf Abteilungsebene sind beispielsweise die Verwechselung von Medikamenten aufgrund der räumlichen Platzierung, das Verschwinden von Unterlagen oder der Umgang mit leistungsrelevanten Verwaltungsvorgängen.

 

Auswahl von zu beantwortende Fragestellungen in dieser Phase:

  • Welche Unternehmensbereiche sind mit welcher Priorität zu integrieren?
  • Welche zusätzlichen Risikobereiche müssen berücksichtigt werden?
  • In welche Perspektiven wird unterteilt?
  • Wie erfolgt die Kaskadierung vom Gesamtunternehmen auf Teilbereiche?
  • Welche Personen werden beteiligt?
  • Welche (ggf. im KH bereits genutzten) Instrumente werden eingesetzt?

 

Besondere Herausforderungen aus unserer Sicht:

  • Ergebnisoffenes Brainstorming
  • Echte Risiken benennen
  • Vollständigkeit der wesentlichen Risiken in allen Perspektiven
  • Identifizierung der Risiken, keine Diskussion von Ursachen oder Maßnahmen
  • Integration der richtigen Mitarbeiter

3.3 Risikoanalyse

In der Analyse werden denkbare Ursachen für den Eintritt der Risiken erarbeitet und diese in beeinflussbare und nicht-beeinflussbare Ursache unterteilt.

Am Beispiel der Verwechselung von Medikamenten lässt sich dies plakativ aufzeigen, z.B. „2 Medikamente können leicht verwechselt werden, da die Packungen (Pillen) sehr ähnlich aussehen und im Schrank nebeneinander stehen.“

In dieser Aussage lassen sich zwei Ursachen für die Verwechselung erkennen. Zum einen die Ähnlichkeit der Verpackung (Pille) (nicht-beeinflussbare Ursache) und zum andern der Standort im Medikamentenschrank (direkt beeinflussbar).

Wir nutzen die Trennung zur Priorisierung der Risiken und arbeiten nur an den Ursachen, auf die ein Einfluss besteht. Im Zuge dieser Überlegungen finden sich Ursachen, die sich durch einfache Verbesserungsmaßnahmen sofort beheben lassen und daher direkt eingeleitet werden – hier: Sortierung im Schrank verändern. Das weiterhin bestehende systematische Risiko wird dennoch aufgenommen, da es jederzeit wieder auftreten kann.

 

Auswahl von zu beantwortende Fragestellungen in dieser Phase:

  • Wie erfolgt die Analyse?
  • Wie tief erfolgt die Analyse?
  • Wer sichert Konsistenz und Wissenstransfer in den Teilbereichen?
  • Wer entscheidet über die Einleitung von Sofortmaßnahmen?

 

Besondere Herausforderungen aus unserer Sicht:

  • Trennung in beeinflussbare und nicht-beeinflussbare Ursachen
  • Umgang mit der Masse an Risiken und Ursachen
  • Klare Strukturierung der Wechselwirkungen

3.4 Risikobewertung

In diesem Prozessschritt werden die Risiken nun nach der Eintrittswahrscheinlichkeit und dem Schadensausmaß bewertet.

Risikoportfolio

Abbildung 5: Risikoportfolio (Beispiel)

 

Hieraus ergibt sich eine unterschiedliche Behandlung der kategorisierten Risikoklassen und Handlungsbedarfsklassen. Unsere Erfahrung aus Projekten zeigt, dass eine große Menge an Risiken identifiziert wird. Aus ökonomischen und zeitlichen Gründen sollten aber nicht alle Risiken direkt gemanagt werden.

Deshalb wird eine Vorauswahl getroffen. Dies geschieht mittels der Bildung von Schwellen- bzw. Mindestwerten.

Festlegung von Mindestwerten

Abbildung 6: Durchführung einer Vorauswahl der Risiken anhand von Mindestwerten (Quelle: BPG Unternehmensberatung)

 

Nach der Vorauswahl wird mit der differenzierten Bewertung der ausgewählten Risiken nach Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß begonnen. Die Skala der Einordnung ist hausindividuell zu treffen. Die Eintrittswahrscheinlichkeit kann sich bspw. auf die reine Wahrscheinlichkeit oder aber auf Jahresangaben beziehen.

 

Auswahl von zu beantwortende Fragestellungen in dieser Phase:

  • Welche Risiken werden prioritär bearbeitet?
  • Gibt es Mindestwerte?
  • Skalierung – Welche Einteilung ist die individuell „richtige“?
  • Normierung - Wann ist ein Risiko in welcher Kategorie?
  • Was passiert mit Risiken, die sich nicht (so einfach) quantifizieren lassen?

 

Besondere Herausforderungen aus unserer Sicht:

  • Priorisierung der Risiken
  • Festlegung von Mindestwerten für die Vorauswahl
  • Quantifizierung aller Risiken
  • Einheitliches Verständnis aller Beteiligten über die Auswirkungen der Risiken
  • Echte Handlungen vorbereiten/definieren

3.5 Risikobewältigung

In der Risikobewältigung werden Maßnahmenpakete erarbeitet die vorhandene Risiken reduzieren. Die Bewältigungsstrategien können je nach Risiko entweder einzeln oder aufeinander aufbauend angewandt werden.

Risikobewältigung

Abbildung 7: Risikobewältigung (Quelle: BPG Unternehmensberatung)

 

Am Beispiel der Verwechselungsgefahr zweier ähnlich aussehender Medikamente würde dies folgendermaßen aussehen:
Risikovermeidung – ausgewählte Medikamente herausnehmen.
Risikoverminderung – Umsortierung oder Verpackungsänderung
Risikoüberwälzung - Versicherung gegen Verwechselungen abschließen
Risikoakzeptanz – keine (weiteren) Maßnahmen.
Risikokompensation – in diesem Fall nicht möglich

Auswahl von zu beantwortende Fragestellungen in dieser Phase:

  • Was hilft wirklich?
  • Höhe des Risikos im Vergleich zu Auswirkungen des Maßnahmenkatalogs?
  • Gibt es eine „optimale“ Bewältigung?
  • Was passiert, wenn keine Lösungsansätze entwickelt werden können?
  • Was passiert, wenn das Restrisiko als zu hoch eingestuft wird?

 

Besondere Herausforderungen aus unserer Sicht:

  • Kreativität
  • Pragmatismus
  • Risiko vs. Kosten
  • Regelmäßige Kontrollen nach einmaliger Bewältigung
  • Wissensmanagement

3.6 Risikoüberwachung

An dieser Stelle definieren wir Frühwarnindikatoren, mit denen die Risiken gemessen werden. Dies ist ein zeitintensiver und konfliktträchtiger Punkt, da den meisten Krankenhäusern gerade die Messbarkeit der Risiken Probleme bereitet. Wichtig dabei: Die Verantwortlichkeit muss klar geregelt und kommuniziert werden. Des Weiteren muss verbindlich festgelegt werden, wie auf den Eintritt bestimmter Schwellenwerte reagiert/eskaliert wird.

Das Risikomanagementsystem sollte auf keinen Fall als isoliertes Instrument im Krankenhaus stehen. Eine Einbindung in die bestehenden Strukturen (z.B. QM) und das Berichtswesen führt regelmäßig zu teilweise größeren Modifikationen am bestehenden Reportingsystem. So müssen z.B. einige Indikatoren mehr von ggf. anderen Personen erhoben oder Berichtszeiträume verkürzt werden. Dies sollte auch bei der Auswahl und Nutzung von Softwarekomponenten berücksichtigt werden.

 

Auswahl von zu beantwortende Fragestellungen in dieser Phase:

  • Wer ist für die Risikoüberwachung verantwortlich?
  • Wo liegt der Schwellenwert des Indikators und wie häufig wird gemessen?
  • Wie wird auf den Eintritt von Schwellenwerten reagiert?
  • Wer ist für die jeweiligen Gegenmaßnahmen verantwortlich?
  • Inwieweit muss das bestehende Berichtssystem angepasst werden?

 

Besondere Herausforderungen aus unserer Sicht:

  • Integration des Systems in die bestehenden Systeme
  • Definition der Informationsflüsse
  • Bestimmung von Indikatoren und sinnvollen Schwellenwerten
  • Definition von geeigneten Gegenmaßnahmen

4. Implementierung und laufender Betrieb

Im Rahmen der Implementierung empfehlen wir anhand von Checklisten den laufenden Betrieb vorzubereiten und zu überprüfen.

Risikomanagement im Überblick

Abbildung 8: Beispiel Checkliste – Risikomanagement im Überblick

 

Der Erfolg lässt sich durch eine vollständige und übersichtliche Dokumentation fördern, deren positiver Nebeneffekt der Nachweis über die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten und die Erleichterung der Jahresabschlussprüfungen ist.

5. Projektcontrolling

Hier wird der Umsetzungsstand überprüft und gegebenenfalls Handlungsfelder identifiziert, in denen Nachjustierungen sinnvoll sind. Im Fokus unserer Beobachtung stehen neben den Inhalten auch die Strukturen, Rollen, Prozesse und die Frage, wie das System gelebt wird. Wir empfehlen darüber hinaus ca. 1 Jahr nach Projektbeendigung eine Wiederholung bzw. Erweiterung durch ein Erfolgscontrolling.

6. Fazit

Wer vorankommen will, muss Risiken bewusst eingehen. Der systematische Blick auf Risiken sollte auch für Krankenhäuser zur Alltäglichkeit werden. Das Risikomanagementsystem darf dabei nicht als zusätzliche Last empfunden werden. Die Integration in bestehende Systeme und die Nutzung besteheder Strukturen und Informationen darf als „Pflicht“ beim Aufbau und im Betrieb verstanden werden. Dies gilt auch für vorhandene Instrumente, Personen und ggf. Maßnahmen.

Unser erklärtes Ziel ist es, notwendige Ergänzungen und Verbesserungen vorzunehmen und dabei mit möglichst wenig zusätzlichem Aufwand einen echten „Mehrwert“ für alle Mitarbeiter und das Unternehmen zu erzeugen.

 

Diese Fachpublikation können Sie hier als PDF herunterladen:
Download "Risikomanagement im Krankenhaus"

 

sekretariat@bpg-muenster.de 004925148204-0 Nevinghoff 30
Münster
Nordrhein-Westfalen
48147
Deutschland