Bild: Steine

Erfahrung schafft Vertrauen

Neue BAG-Rechtsprechung zur Bewerbung von Schwerbehinderten

Hiermit stellen wir Ihnen drei Entscheidungen des BAG vor, mit denen das Gericht seine Rechtsprechung zur Bewerbung von Schwerbehinderten konkretisiert hat.

Ihr Ansprechpartner

Rechtsanwältin Agnes Lisowski
Rechtsanwältin Agnes Lisowski
0251 - 48204-17
a.lisowski@bpg-muenster.de

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in letzter Zeit seine Rechtsprechung zur Bewerbung von Schwerbehinderten in mehreren Urteilen konkretisiert und somit geholfen, etwaige Unsicherheiten bei den Arbeitgebern abzubauen. Wir möchten Ihnen diese drei Urteile in gebotener Kürze vorstellen.

Urteil vom 17. Dezember 2020, Az.: 8 AZR 171/20

Gemäß § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF ist ein öffentlicher Arbeitgeber verpflichtet, Schwerbehinderte, die sich auf eine bei ihm ausgeschriebene Stelle bewerben, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn ihnen die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlt. Dieser Pflicht kann der Arbeitgeber jedoch nur nachkommen, wenn ihm die Schwerbehinderung der sich bewerbenden Person bekannt ist. Die Mitteilungspflicht hinsichtlich der Schwerbehinderung obliegt der sich bewerbenden Person. Kommt sie dieser Mitteilungspflicht nicht oder zu spät nach, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die schwerbehinderte Person zum Vorstellungsgespräch einzuladen.

Nunmehr hat das BAG entschieden, dass der Arbeitgeber bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist über die Schwerbehinderung zu informieren ist. Erfolgt die Mitteilung zu einem späteren Zeitpunkt, ist er nicht verpflichtet, die schwerbehinderte Person zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, dass ihm die Einladung trotz des Ablaufs der Bewerbungsfrist und in seinem Interesse an einer ordnungsgemäßen Durchführung des Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahrens sowie einer zügigen Entscheidung über die Besetzung der Stelle noch zumutbar ist.

Urteil von 26. November 2020, Az.: 8 AZR 59/29

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG begründet der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- bzw. Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung. Zu den oben erwähnten Pflichten gehört u.a. die in § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF geregelte Pflicht eines öffentlichen Arbeitgebers, eine schwerbehinderte Person zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht ist nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht wirklich interessiert zu sein. Die Beweislast, dass ausschließlich andere als die in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung der schwerbehinderten Person geführt haben, trägt der Arbeitgeber.

Nunmehr hat das BAG entschieden, dass sich der öffentliche Arbeitgeber von dem Vorwurf der Benachteiligung nicht dadurch exkulpieren kann, dass die schwerbehinderte Person auf ihr Recht nach § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, verzichtet hat. Dieses Recht begründet laut dem BAG keinen individuellen Anspruch der schwerbehinderten Person auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Auf das Recht zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch kann somit nicht wirksam verzichten werden.

Urteil vom 29. April 2021, Az.: 8 AZR 279/20

In diesem Urteil ging es um die Frage, ob der schwerbehinderten Person die fachliche Eignung nach § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF offensichtlich fehlt.

Das BAG entschied, dass eine bestimmte vom Arbeitgeber geforderte Note ein zulässiges Auswahlkriterium zur Feststellung der persönlichen Eignung der sich bewerbenden Person ist. Stützt der öffentliche Arbeitgeber jedoch seine Absage gegenüber der schwerbehinderten Person, ohne diese zum Vorstellunggespräch eingeladen zu haben, auf die fehlende von ihm geforderte Note, so hat er laut BAG nachzuweisen, dass er keinen anderen Bewerber mit einer schlechteren Note als in der Ausschreibung gefordert zum Vorstellungsgespräch eingeladen hat. Der Arbeitgeber hat die von ihm getroffenen Auswahlkriterien konsequent auf alle Bewerber anzuwenden.

Handlungsempfehlungen

Zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen wegen Verstoßes gegen § 165 Satz 3 SGB IX und/oder das Benachteiligungsverbot nach dem AGG empfehlen wir, bei Bewerbungsverfahren folgende Grundsätze zu beachten:

  • Transparenz des Bewerbungsverfahrens: klare Anforderungskriterien in der Stellenausschreibung festlegen,
  • Feste zeitliche Rahmen vorgeben: Bewerbungsfristen in der Stellenausschreibung, interne Fristen, bis wann die Vorstellungsgespräche zu erfolgen haben und ggf. bis wann eine Entscheidung über die Stellenbesetzung getroffen sein muss, bestimmen und damit eine stringentes Auswahlverfahren schaffen,
  • Rechtliche Verfahrensvorgaben beachten: Ein Verzicht auf Verfahrens- bzw. Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen ist unwirksam.

Ihr Ansprechpartner

Rechtsanwältin Agnes Lisowski
Rechtsanwältin Agnes Lisowski
0251 - 48204-17
a.lisowski@bpg-muenster.de

sekretariat@bpg-muenster.de 004925148204-0 Nevinghoff 30
Münster
Nordrhein-Westfalen
48147
Deutschland