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Ersatzbemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist verfassungswidrig

§ 8 II GrEStG ist verfassungswidrig und muss rückwirkend für alle Fälle ab 01.01.2009 neu geregelt werden.

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Ausgangslage

Die Übertragung von Grundvermögen ist grundsätzlich grunderwerbsteuerpflichtig. Die Regelbemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist der Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG)) – also in der Regel der Kaufpreis.

Insbesondere bei grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgängen im Rahmen von Umstrukturierungen nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG) und bei Übertragung oder Vereinigung von mindestens 95% der Anteile an grundbesitzhaltenden Gesellschaften gibt es keine Gegenleistung, die als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer dienen kann. In diesen Fällen greift die Ersatzbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG ein. Die Grunderwerbsteuer bemisst sich in diesen Fällen nach den Grundbesitzwerten gemäß §§ 138 ff. Bewertungsgesetz (BewG).

Die Bewertung von Grundstücken nach den Regelungen der §§ 138 ff. BewG führt in der Regel zu Ergebnissen, die unterhalb der Verkehrswerte der betroffenen Grundstücke liegen. Mit Beschluss vom 7. November 2006 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Erbschaftsteuer entschieden, dass dies eine nicht begründete Ungleichbehandlung darstellt. Infolge dessen sind für Zwecke der Erbschaftsteuer neu geschaffene Bewertungsvorschriften für Grundvermögen eingeführt worden.

Mit Beschluss vom 23. Juni 2015 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden ( 1 BvL 13/11 und 1 BvL 14/11), dass die Anwendung der Ersatzbemessungsgrundlage des § 8 Abs. 2 GrEStG, die auf § 138 BewG verweist, verfassungswidrig ist. Sie stelle eine Besserstellung gegenüber Grundstücksübertragungen dar, die nach der Regelbemessungsgrundlage zu versteuern sind. Das Bundesverfassungsgericht fordert den Gesetzgeber auf, bis spätestens 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu treffen, die rückwirkend ab 1. Januar 2009 gelten soll.

Auswirkungen

Die Ersatzbemessungsgrundlage des § 8 Abs. 2 GrEStG spielt in der Praxis insbesondere bei Umstrukturierungen von Gesellschaften eine Rolle. So ist sie nach aktueller Rechtslage unter anderem anzuwenden auf Abtretungen von Gesellschaftsanteilen grundbesitzhaltender Gesellschaften, durch die mindestens 95% der Anteile erstmals in einer Hand vereinigt werden, auf die Übertragung von mindestens 95% der Anteile und auf Umwandlungen nach dem Umwandlungssteuergesetz, soweit diese grunderwerbsteuerpflichtig sind. Im Rahmen von Formwechseln nach dem Umwandlungsgesetz finden keine Grundstücksübertragungen statt, so dass hier keine Grunderwerbsteuer anfällt.

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts besagt, dass für diese Fälle eine Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer für alle Übertragungen rückwirkend ab dem 1. Januar 2009 neu geregelt werden muss. Dies bedeutet eine Rechtsunsicherheit für seit dem 1. Januar 2009 durchgeführte Übertragungen, bei denen die Grunderwerbsteuer entsprechend der Ersatzbemessungsgrundlage nach dem Grundbesitzwert bemessen wurde und für nun anstehende Umstrukturierungen.

Nicht von der zu erwartenden Neuregelung betroffen werden jedoch die bereits durchgeführten Übertragungen seit dem 1. Januar 2009 sein, soweit bestandskräftige Bescheide über Grunderwerbsteuer vorliegen. Diese Bescheide sind nicht aufgrund der Neuregelung änderbar (§ 176 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung). Sofern noch keine Grunderwerbsteuerbescheide ergangen sind, diese vorläufig sind, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen oder aber angefochten wurden, ist mit einer nachträglichen Änderung zu rechnen.

In den nun anstehenden Umwandlungen (z.B. Verschmelzungen, Spaltungen) von grundbesitzhaltenden Gesellschaften oder der Abtretung der Geschäftsanteile an solchen, ist damit zu rechnen, dass die Grunderwerbsteuer statt nach den niedrigen Grundbesitzwerten, nach Werten berechnet werden wird, die auf dem Niveau der Verkehrswerte liegen.

Zweifelhaft ist jedoch, ob die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, eine Neuregelung rückwirkend zum 1. Januar 2009 einzuführen, ihrerseits verfassungsrechtlich haltbar sind. Grundsätzlich sind rückwirkende steuerverschärfende Gesetze wegen Verstoßes gegen den Gesetzesvorbehalt mit dem Grundgesetz unvereinbar.

Fazit:

Insbesondere in den Fällen, in denen seit dem 1. Januar 2009 grundbesitzhaltende Gesellschaften ihr Vermögen nach dem Umwandlungsgesetz übertragen haben, mindestens 95% ihrer Anteile übertragen wurden oder durch Übertragungen mindestens 95% ihrer Anteile in einer Hand vereinigt wurden und die Grunderwerbsteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, ist damit zu rechnen, dass die Grunderwerbsteuer nach Werten, auf dem Niveau der Verkehrswerte bemessen werden wird.

Wenn in solchen Fällen bereits bestandskräftige Grunderwerbsteuerbescheide vorliegen, wird sich die kommende Neuregelung nicht auswirken.

Für anstehende Umstrukturierungen sollte mit einer Grunderwerbsteuerbelastung unter Heranziehung einer Bemessungsgrundlage in Höhe des Verkehrswertes der Grundstücke geplant werden.

Auf eine möglicherweise Verfassungswidrigkeit der Rückwirkung der zu erwartenden Neuregelung sollte man sich bei der Gestaltung nicht verlassen.

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