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Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes gefährdet den langfristigen individuellen Drittpersonaleinsatz

Mit der zum 1. April 2017 in Kraft tretenden Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) wird u.a. eine Überlassungshöchstdauer eingeführt. Diese Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes gefährdet den von den Unternehmen häufig praktizierten langfristigen Drittpersonaleinsatz. Deshalb möchten wir Ihnen Alternativen zu einer langfristigen Arbeitnehmerüberlassung aufzeigen.

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Rechtsanwältin Agnes Lisowski
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Mit der zum 1. April 2017 in Kraft tretenden Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) wird u.a. eine Höchstdauer der Überlassung von Arbeitnehmern eingeführt. Diese Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes gefährdet den von den Unternehmen häufig praktizierten langfristigen Drittpersonaleinsatz.

Die Überlassungshöchstdauer eines Leiharbeitnehmers ist künftig auf 18 Monate beschränkt. Dabei wird der Einsatz des individuellen Leiharbeitnehmers zeitlich eingegrenzt, nicht jedoch die generelle Arbeitsplatzbesetzung durch einen Leiharbeitnehmer. Eine abweichende Überlassungshöchstdauer eines einzelnen Leiharbeitnehmers kann durch tarifvertragliche Regelungen ausgedehnt werden. Eine solche Ausdehnung ist gem. § 1 Abs. 1b Satz 8 AÜG n.F. auch für den Bereich der kirchlichen Arbeitgeber möglich. Im Falle eines nicht tarifgebundenen Entleihers, für dessen Einsatzbranche jedoch ein Tarifvertrag mit der Möglichkeit, eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung zur Überlassungsdauer abzuschließen, existiert, kann ebenfalls die Überlassungshöchstdauer (§ 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG n.F.) ausgedehnt werden. Die Ausdehnung der Überlassungshöchstdauer für die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber ist gem. § 1 Abs. 1b Satz 6 AÜG n.F. jedoch auf längstens 24 Monate beschränkt, wenn der anwendbare Tarifvertrag keine abweichende Überlassungshöchstdauer für Betriebs- und Dienstvereinbarungen zulässt.

In den Fällen tarifgebundener Entleiher und im Bereich der Kirchen ist eine Begrenzung der Überlassungshöchstdauer nicht geregelt. Die Überlassung kann somit länger als 24 Monate dauern, sofern entsprechende Regelungen in den Tarifverträgen bzw. kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnungen bzw. Arbeitsvertraglichen Richtlinien aufgenommen werden. Um den vorübergehenden Charakter der Arbeitnehmerüberlassung zu gewährleisten, ist laut der Gesetzesbegründung jedoch auf jeden Fall eine zeitliche Überlassungshöchstdauer in den Tarifverträgen bzw. den Regelungen der Kirchen zu bestimmen und in auf Grundlage eines Tarifvertrages oder den Regelungen der Kirchen getroffenen Betriebs-/Dienstvereinbarungen sicherzustellen. Dadurch soll der vorübergehende Charakter der Arbeitnehmerüberlassung gewahrt werden. Es ist anzunehmen, dass sich die Regelungen zu der abweichenden Überlassungshöchstdauer an die von der Gesetzgebung vorgegebenen Zeiträume von 18 bzw. 24 Monaten anlehnen werden. Künftig wird der langfristige individuelle Drittpersonaleinsatz daher nur noch eingeschränkt möglich sein. Eine langfristige Besetzung eines Arbeitsplatzes durch wechselnde oder nach einer dreimonatigen Unterbrechung wiederkehrende Leiharbeitnehmer bleibt vorerst zulässig. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Rechtsprechung dieses „Leiharbeiter-Karussell“ als rechtsmissbräuchlich erachten könnte („Gemeinschaftsbetrieb statt Arbeitnehmerüberlassung“ DStR 4/17 206 (206-207)).

Zulässig bleibt der dauerhafte individuelle Drittpersoneneinsatz, wenn er zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts praktiziert wird und die Anwendung der Überlassungshöchstdauer in den jeweils anwendbaren Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes oder den Regelungen der Kirchen abweichend geregelt wurde (§ 1 Abs. 3 Nr. 2c AÜG n.F.). Privatrechtlich organisierte Unternehmen in kirchlicher Trägerschaft können von dieser Möglichkeit des generellen Ausschlusses einer Überlassungshöchstdauer keinen Gebrauch machen.

Viele Konzernunternehmen nutzen für ihren langfristigen Drittpersonaleinsatz das in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG normierte Konzernprivileg. Dieses schließt die Anwendung des AÜG auf Arbeitnehmerüberlassungen zwischen Konzernunternehmen im Sinne des § 18 Aktiengesetz aus, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Formulierung klarstellen, dass die Privilegierung des Konzernverleihs nicht für Arbeitnehmerüberlassungen durch reine Personalservicegesellschaften gilt, deren Zweck die Einstellung und Überlassung von Personal ist (Kommentar zum AÜG von Boemke und Lembke § 1, Rdnr. 232). Das Gesetz regelt jedoch nicht, wann das Tatbestandsmerkmal, zum Zweck der Überlassung eingestellt und/oder beschäftigt, erfüllt ist. Im Rahmen der Auslegung des Referentenentwurfs zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung vom 2. September 2010 kommt die Literatur zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und/oder beschäftigt ist, wenn er nicht ausschließlich bei Entleihern eingesetzt wird, sondern auch für das ihn überlassende Unternehmen (Verleiher) tätig ist oder seine Rückkehr zum Verleiher fest steht. Eine bloße Rückkehroption genügt hierbei nicht. Über die Voraussetzung der Rückkehr zum Verleiher hinaus ist die Konzernleihe zeitlich nicht befristet. Allerdings vertritt das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 17. April 2013, Az.: 4 TaBV 7/12 die Ansicht, dass das Konzernprivileg nur Anwendung findet auf konzerninterne Arbeitnehmerüberlassungen, die an sich zulässig und daher nicht auf Dauer angelegt sind. Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung nach der neuen AÜG-Reform längerfristige Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen der Konzernleihe zumindest in den Mischbetrieben, die ihre Arbeitnehmer an andere Unternehmen verleihen als auch selbst beschäftigen, zulässt.

Eine häufig praktizierte Alternative zu der Arbeitnehmerüberlassung bildet der Einsatz von Werk- bzw. Dienstverträgen. Der Unterschied zwischen der Arbeitnehmerüberlassung und den Werk- bzw.  Dienstverträgen liegt in der arbeitsrechtlichen Beziehung des Arbeitnehmers zu dem Betrieb, in dem er eingesetzt ist. Bei einem Einsatz auf Grundlage eines Werkvertrages besteht zwischen dem Inhaber des Beschäftigungsbetriebes (Auftraggeber) und dem im Betrieb eingesetzten Arbeitnehmer keinerlei arbeitsrechtliche Beziehung, während bei einem Einsatz, der auf einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag basiert, zwischen dem Inhaber des Beschäftigungsbetriebes (Entleiher) und dem Arbeitnehmer regelmäßig ein arbeitsrechtliches Weisungsverhältnis vorliegt. Im Fall des Abschlusses von Werk- bzw. Dienstverträgen ist daher stets darauf zu achten, dass der beim Auftraggeber eingesetzte Arbeitnehmer nicht dem Weisungsrecht des Auftraggebers unterliegt und nicht in dessen Organisation eingebunden wird. Bei langfristigen Werk- bzw. Dienstleistungsverträgen besteht im Laufe der Zeit die Gefahr, dass die strikte Trennung der arbeitsrechtlichen Beziehungen aufgelockert wird. Durch die enge Zusammenarbeit der Arbeitnehmer des Auftragnehmers mit dem Stammpersonal des Auftraggebers werden die Arbeitnehmer des Auftragnehmers immer stärker in die betrieblichen Abläufe des Auftraggebers einbezogen. Es droht eine Umwandlung in einen "Scheinwerk- bzw. Scheindienstvertrag" („Gemeinschaftsbetrieb statt Arbeitnehmerüberlassung“ DStR 4/17, 206 (207)). Diese Umwandlung hat künftig zur Folge, dass die Verträge zwischen dem Scheinauftragnehmer (Verleiher) und seinen (Leih-)Arbeitnehmern gem. § 9 Nr. 1a i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 5 und 6 AÜG n.F. unwirksam sind. Ein zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer unwirksamer Vertrag hat wiederum zur Folge, dass gem. § 10 AÜG n.F. ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Scheinauftraggeber (Entleiher) zustande kommt.

Eine weitere Alternative zu der Arbeitnehmerüberlassung stellt die Einrichtung eines Gemeinschaftsbetriebes dar. Der Gesetzgeber hat bislang nicht klar definiert, wann das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes angenommen werden kann. § 1 Abs. 2 BetrVG listet allerdings Tatbestände auf, bei deren Vorliegen das Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebes mehrerer Rechtsträger vermutet wird. Demnach bejaht das BAG in ständiger Rechtsprechung das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes, wenn mehrere Rechtsträger sich zum Führen eines gemeinsamen Betriebes entschlossen haben, der gemeinsame Entschluss sich weiterhin auf die Zusammenfassung von materiellen und immateriellen Betriebsmitteln und ihren gemeinsamen Einsatz zur Verfolgung eines einheitlichen arbeitstechnischen Zwecks erstreckt und die Rechtsträger eine Führungsvereinbarung, die den Einsatz der Arbeitnehmer unter einen einheitlichen Leitungsapparat stellt, ausdrücklich oder stillschweigend abgeschlossen haben.

Folgende Anhaltspunkte sprechen nach ständiger BAG-Rechtsprechung (BAG, 11.02.2004 - 7 ABR 27/03) für den „gelebten/praktizierten“ Gemeinschaftsbetrieb:

  • mehrere selbständige Rechtsträger
  • verfolgen einen gemeinsamen Zweck (der idealerweise in den jeweiligen Satzungen der Rechtsträger festge  legt ist)
  • Der gemeinsam verfolgte Zweck muss über eine bloße Personalgestellung hinausgehen (BAG, 16.04.2008 – 7  ABR 4/07; DStR 4/17, 206 (209)).
  • ggf. Personenidentität der Gesellschafter
  • Diese Personenidentität verstärkt die Vermutung, dass ein Gemeinschaftsbetrieb gegeben ist. Sie ist jedoch kein zwingendes Kriterium.
  • einheitliche Personalleitung

Dabei wird der Personenidentität der Geschäftsführung eine höhere Vermutungswirkung für das Vorhandensein einer einheitlichen Personalleitung zugesprochen.

  • einheitliche Personalabteilung, als Ausdruck der einheitlichen Personalleitung

                -> gemeinsame Dienstpläne

                -> zentrale Urlaubsplanung

                -> einheitliche Personalaktenführung

                -> einheitliche Erstellung von Arbeitsverträgen und sonstiger personenbezogener Schriftstücke

                -> gemeinsame Lohnbuchhaltung

                -> gemeinsame Arbeitsanweisungen

                -> gemeinsame Kündigungen und Abmahnungen

  • ähnlicher Name (Firmierung) der Rechtsträger
  • gleiche Anschrift der Rechtsträger bzw. räumliche Nähe
  • gleiche Telefonnummer (gemeinsame Zentrale)
  • gemeinsames Sekretariat
  • gegenseitiger Austausch von Arbeitnehmern

Die sich zu einem Gemeinschaftsbetrieb zusammenschließenden Rechtsträger müssen ihre Arbeitnehmer zur Verfolgung des gemeinsamen Zwecks zur Verfügung stellen. Mit der Gründung eines Gemeinschaftsbetriebes verlieren die zwischen den Rechtsträgern bis dahin bestehenden Arbeitnehmerüberlassungsverträge ihre Bedeutung. Eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG finden nicht mehr statt.

  • gemeinsame Nutzung von Betriebsmitteln

Ausreichend für diese Voraussetzung eines Gemeinschaftsbetriebs ist, wenn die Betriebsmittel auch nur von einem der Rechtsträger zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung gestellt werden.

  • gemeinsame Sozialräumen

 

Die Gründung eines Gemeinschaftsbetriebes wirkt sich auch im Hinblick auf den Kündigungsschutz und die Rechte der Arbeitnehmervertretungen aus. Die Rechtsträger, die sich zu einem Gemeinschaftsbetrieb zusammenschließen, bilden im Sinne des Kündigungsschutzrechtes und der betriebsbedingten Beteiligungsrechte der Vertretung ihrer Arbeitnehmer eine Einheit. Dies gilt sowohl für die kirchlichen als auch die nicht kirchlichen Arbeitgeber.

Daher müssen im Falle betriebsbedingter Kündigungen die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers bei allen zum Gemeinschaftsbetrieb zugehörigen Rechtsträgern geprüft werden. Auch muss sich die Sozialauswahl auf alle bei den beteiligten Rechtsträgern im Gemeinschaftsbetrieb beschäftigen Mitarbeiter beziehen.

Die Inhaber der betrieblichen Leitungsmacht sind alle Rechtsträger, die sich zur einheitlichen Leitung verbunden haben. Wenn ein Betriebsrat Anträge stellt, die sich gegen den Arbeitgeber in seiner Funktion als Inhaber dieser Leitungsmacht richten, betrifft dies alle Rechtsträger in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitgeberstellung.

 

Fazit

Eine dauerhafte individuelle Arbeitnehmerüberlassung bleibt im eingeschränkten Maße auch nach der AÜG-Reform zulässig. Für ihre Zulässigkeit müssen die Tarifvertragsparteien bzw. die Kirchen jedoch erst die entsprechenden Grundlagen in Form der Ergänzung ihrer Tarifverträge bzw. der kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnungen oder Arbeitsvertraglichen Richtlinien schaffen. Bis dahin gilt eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten.

Grundsätzlich bestehen Alternativen zur Arbeitnehmerüberlassung durch den Abschluss von Werk- bzw. Dienstverträgen, eine Konstruktion zur Inanspruchnahme des Konzernprivilegs oder die Gestaltung eines Gemeinschaftsbetriebes. Diese erfordern allerdings die Umgestaltung der betrieblichen Abläufe und die strikte Einhaltung der gewählten Strukturen. Die gelebte Praxis muss dem Inhalt der Verträge entsprechen. Gleichwohl erscheint uns die Einrichtung eines Gemeinschaftsbetriebes für bestimmte Unternehmen und Einrichtungen eine ernstzunehmende Alternative zur Vermeidung der negativen Folgen der AÜG-Reform zu sein. Bitte sprechen Sie uns zur Beurteilung und ggf. Gestaltung Ihrer individuellen Ausgangssituation an.

 

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