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Staatliche Gerichte dürfen die Einstellungskriterien der Kirchen prüfen

Staatliche Gerichte sind berechtigt, sowohl die Ablehnung der konfessionslosen Bewerber auf ihre Plausibilität als auch die Einstellungskriterien der Kirche selbst zu prüfen. Vor jeder Ausschreibung sollte abgewogen werden, ob die Konfession als berufliche Anforderung für die ausgeschriebene Tätigkeit tatsächlich notwendig und angemessen ist.

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Rechtsanwältin Agnes Lisowski
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August letzten Jahres haben wir Sie darüber informiert, dass das Bundesarbeitsgericht mit seinem Beschluss vom 17. März 2016 (Az.: 8 AZR 501/14) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Rechtmäßigkeit und Überprüfbarkeit des Umgangs der Kirchen in Deutschland mit konfessionslosen Bewerbern durch staatliche Gerichte zur Vorabentscheidung vorgelegt hat. Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 17. April 2018 (Az.: C-414/16) über diesen Vorabentscheid wie folgt entschieden:

Die Kirchen können aufgrund ihres Rechts auf Autonomie selbst bestimmen, welche Anforderungen sie an ihre Arbeitnehmer sowie Bewerber stellen. Dabei haben sie jedoch die Vorgabe des europäischen und ggf. nationalen Rechts zu beachten.

Die Kirchen dürfen ihre Arbeitnehmer und Bewerber nicht wegen ihrer Religion, ihrer Weltanschauung, einer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Ausrichtung ungleich behandeln (Art. 1 der Europäischen Richtlinie 2000/78), es sei denn, dass eines der zuvor genannten Merkmale aufgrund der Art einer bestimmten Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine Ungleichbehandlung rechtfertigt (Art. 4 der Europäischen Richtlinie 2000/78). Die Kirchen können somit von ihren Bewerbern die Zugehörigkeit zu ihrer Religionsgemeinschaft fordern, wenn diese Anforderung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Kirche für die konkrete Tätigkeit darstellt. Die Anforderungen an den Bewerber müssen im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stehen. Die Kirchen müssen einen angemessenen Ausgleich zwischen ihrem Recht auf Autonomie und dem Recht ihrer (künftigen) Arbeitnehmer, nicht wegen ihrer Religion bzw. Konfessionslosigkeit diskriminiert zu werden, finden. Der Forderung nach einer bestimmten Konfession dürfen dabei keine sachfremden Erwägungen ohne Bezug zu dem Ethos der betreffenden Kirche zugrunde liegen.

Im Falle eines Rechtsstreits, in dem ein Bewerber der Kirche vorwirft, ihn wegen seiner Konfessionslosigkeit abgelehnt und damit diskriminiert zu haben, sind die staatlichen Gerichte nicht nur berechtigt, die Entscheidung der betreffenden Kirche auf ihre Plausibilität, nämlich ob die Kirche ihre eigenen im Rahmen ihrer Autonomie aufgestellten Einstellungsgrundsätze richtig eingehalten hat, zu prüfen, sondern auch die Einstellungskriterien der Kirche selbst einer Prüfung zu unterziehen.

Nationale Vorschriften wie § 9 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), die eine Ungleichbehandlung von konfessionslosen Bewerbern durch die Kirchen zulassen, sind unionsrechtskonform auszulegen, ggf. von den nationalen Gerichten nicht anzuwenden.

Fazit:

Die Kirchen haben grundsätzlich das Recht, Einstellungen von der eigenen Religionszugehörigkeit abhängig zu machen. Die Konfession muss jedoch bezogen auf eine konkrete Tätigkeit notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten sein. Je mehr die ausgeschriebene Tätigkeit dem Verkündungsbereich der jeweiligen Kirche zugeordnet werden kann, desto mehr ist die Ungleichbehandlung von konfessionslosen Bewerbern gerechtfertigt.

Angesicht der Entscheidung des EuGHs empfehlen wir den Kirchen künftig vor jeder Ausschreibung zu prüfen, ob die Konfession für die ausgeschriebene Stelle notwendig und verhältnismäßig ist.

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