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Virtuelle Konten in der Rechnungslegung von Altenhilfeeinrichtungen – Auswirkungen der Vorgaben der APG DVO NRW

In diesem Artikel werden die Auswirkungen aufgrund der geänderten Refinanzierungsbedingungen auf die Rechnungslegung und insbesondere der Umgang mit den „virtuellen Konten“ dargestellt.

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Dipl.-Kfm. Reinhold Jucks
Dipl.-Kfm. Reinhold Jucks
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Die Einführung des GEPA NRW mit der APG DVO NRW hat die Trägerinnen und Träger von stationären Altenhilfeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen vor große Herausforderungen gestellt. Nachdem die Anträge für das Feststellungs- (§ 11 APG DVO NRW) und Festsetzungsverfahren (§ 12 APG DVO NRW) unter enormen Zeitdruck und Zeitaufwand fristgerecht zum 31. Oktober 2015 abgegeben wurden, ist es nun wichtig, dass das Rechnungswesen an die Anforderungen der APG DVO NRW angepasst wird.

Ein wesentlicher Kernpunkt der Gesetzesänderung ist die Einführung einer strengen Zweckbindung der Refinanzierungsmittel, wobei ein jahresübergreifender Einsatz der Refinanzierungsmittel zulässig ist (vgl. § 4 Abs. 5 und § 6 Abs. 3 APG DVO NRW). Hierfür ist es erforderlich, dass mindestens jährlich ermittelt wird, in welchem Umfang die zugeflossenen Mittel „eingesetzt“ werden konnten. In der Gesetzesbegründung zur APG DVO NRW wird daher der Begriff der „virtuellen Konten“ eingeführt.

In diesem Artikel werden die Auswirkungen aufgrund der geänderten Refinanzierungsbedingungen auf die Rechnungslegung und insbesondere der Umgang mit den „virtuellen Konten“ dargestellt. Zukünftig werden die tatsächlichen Auszahlungen für Instandhaltung und Instandsetzung der langfristigen und sonstigen Anlagegüter und Wiederbeschaffung von Gegenständen der sonstigen Anlagegüter den anerkannten und zugeflossenen Refinanzierungsbeträgen gegenübergestellt. Der Saldo dieser Gegenüberstellung kann positiv oder negativ sein und stellt den Stand der sog. virtuellen Konten für die Anschaffung und Aufrechterhaltung der sonstigen Anlagegüter und die Aufrechterhaltung der langfristigen Anlagegüter zum jeweiligen Stichtag dar. Ein negativer Saldo bedeutet, dass die bisher erfolgten Auszahlungen noch nicht in voller Höhe refinanziert sind. Ein positiver Saldo heißt, dass nicht alle zugeflossenen Refinanzierungsmittel verwendet werden konnten, so dass der Restsaldo als Verbindlichkeit in der Bilanz auszuweisen ist. Bei einem negativen Saldo erfolgt keinen Ausweis als Forderung in der Bilanz.

Beispiel:

Eine Einrichtung wurde zum 1. Januar 2017 mit 80 Plätzen in Betrieb genommen. Die anerkannten und ausgezahlten Aufwendungen lagen bei TEUR 8.000 (davon beträgt der Anteil der sonstigen Anlagegüter TEUR 1.200). Die jährlich zufließenden Refinanzierungsmittel für die Anschaffung und Aufrechterhaltung des betriebsnotwendigen Bestandes an sonstigen Anlagegütern gemäß § 4 APG DVO NRW beträgt TEUR 132 (11 % von TEUR 1.200). Weiterhin fallen jährlich Aufwendungen für die Aufrechterhaltung der sonstigen Anlagegüter zwischen TEUR 20 und TEUR 40 an.

Das virtuelle Konto für die sonstigen Anlagegüter entwickelt sich wie folgt:

GEPA NRW virtueles Konto, sonstiges Anlagevermögen

Die dargestellte Entwicklung des virtuellen Kontos unterstellt den Neubau einer Einrichtung. In diesen Fällen startet das virtuelle Konto – wie oben dargestellt – mit der (anerkannten) Investitionssumme als Negativbetrag. Bei Einrichtungen, deren Inbetriebnahme mehr als 10 Jahre zurück liegt, starten die virtuellen Konten mit einem Wert von Null. Der Grundgedanke des Gesetzgebers hinter dieser Regelung ist, dass bei einer festgelegten Refinanzierungsdauer für die sonstigen Anlagegüter von 10 Jahren, die Mittel, die für die Erstinvestition verausgabt wurden, nach 10 Jahren vollständig refinanziert (zurückgeflossen) sind und seit dem immer im Rahmen der verfügbaren Mittel „nachgekauft“ wurden.

Nach der Gesetzesbegründung sollen auf den virtuellen Konten nur die tatsächlich getätigten Aufwendungen („verausgabte Beträge“) für die Wiederbeschaffung von sonstigen Anlagegütern und die tatsächlich getätigten Aufwendungen für Instandhaltung und Instandsetzung erfasst werden. Im Umkehrschluss dürfen die nicht zahlungswirksamen Vorgänge wie Abschreibungen oder Aufwendungen aus der Bildung von Rückstellung für unterlassene Instandhaltung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten nachgeholt werden (Pflichtrückstellung für Instandhaltungen gemäß § 249 Abs. 1 Nr. 1 HGB), das virtuelle Konto grundsätzlich nicht mindern. Die Zahlungen erfolgen in diesen Fällen nicht in der betrachteten Periode, sondern vorher bzw. nachher. Diese zahlungsstromorientierte Betrachtung ist mit den handelsrechtlichen Grundsätzen zur Bilanzierung nur bedingt in Einklang zu bringen. Nach den handelsrechtlichen Vorschriften gelten Grundsätze wie Periodenabgrenzungen unabhängig von Zahlungsströmen (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB) sowie eine Zugangs- und Folgebewertung bei Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 253 Abs. 3 HGB). Im Jahresabschluss der Pflegeeinrichtungen sind die planmäßigen Abschreibungen des Anlagevermögens als Aufwand zu berücksichtigen.

In der Gewinn- und Verlustrechnung werden die Erträge aus der gesonderten Berechnung von Investitionskosten gegenüber den Pflegebedürftigen zunächst als Erlöse vereinnahmt. Die tatsächlich getätigten Ausgaben für Instandhaltung, Instandsetzung, Wartung, Miete, Leasing, usw. werden als Aufwand erfasst. Die Wiederbeschaffung von sonstigen Anlagegütern erfolgt handelsrechtlich zunächst erfolgsneutral (Aktivierung zu Anschaffungskosten). Die Auszahlungen werden durch die Refinanzierungsmittel für die sonstigen Anlagegüter finanziert und führen zu einer ertragswirksamen Vereinnahmung dieser Mittel in Höhe des Anschaffungswerts. Im Jahr der Anschaffung und in den Folgejahren der Nutzung sind handelsrechtlich Abschreibungen zu buchen. Um die Abschreibungen in der Gewinn- und Verlustrechnung zu neutralisieren, ist zum Zeitpunkt der Anschaffung aufwandwirksam in Höhe der finanzierten Anschaffungskosten ein korrespondierender Sonderposten für Investitionszuschüsse (nachfolgend Sonderposten) zu bilden. Der Sonderposten ist dann entsprechend in Höhe der anfallenden Abschreibungen über die Nutzungsdauer des mit diesen mitteln angeschafften Anlageguts aufzulösen. Die bilanzielle Darstellung erfolgt somit analog § 5 Abs. 2 der Pflegebuchführungsverordnung (PBV).

Nicht zweckentsprechend verbrauchten Refinanzierungsmittel werden als Aufwendungen aus der Zuführung zu Verbindlichkeiten erfasst. Diese Art der Buchung in der Gewinn- und Verlustrechnung hat zur Folge, dass im Bereich der Refinanzierungsmittel für die sonstigen und für die langfristigen Anlagegüter ab dem 1. Juli 2016 keine Überschüsse mehr ausgewiesen werden. Sofern in Vorjahren Verbindlichkeiten aus noch nicht verwendeten Investitionskosten gebildet wurden, können Investitionen, die über die Jahrespauschale der Refinanzierungsmittel hinausgehen, aus der Verbindlichkeit (virtuelles Konto sonstige Anlagegüter) entnommen werden (jahresübergreifender Einsatz der Refinanzierungsmittel). In der Bilanz kommt es zu einer Verschiebung von der Verbindlichkeit zum Sonderposten.

Die zugeflossenen Geldbeträge sind strikt zweckgebunden und haben jederzeit zur bestimmungsgemäßen Verwendung zur Verfügung zu stehen. Es empfiehlt sich, positive Salden der virtuellen Konten auf einem separaten, vom laufenden Geschäftsbetrieb getrennten, Bankkonto vorzuhalten. Trotz Zufluss der Investitionskostenbeträge, sind die nicht verbrauchten Mittel bei der Ermittlung der „freien Liquidität“ (Finanzlage) in Abzug zu bringen.

Folgendes Beispiel soll die o. g. Verbuchungen in der Gewinn- und Verlustrechnung und in der Bilanz verdeutlichen:

Folgende Grundannahmen wurden getroffen:

  • Betriebsergebnis I ./. TEUR 37 (Median BPG Betriebsvergleich 150 Altenheime)
  • Erträge Investitionskosten zur Aufrechterhaltung des notwendigen Bestands an langfristigen Anlagegütern TEUR 142
  • Erträge Investitionskosten zur Anschaffung und Aufrechterhaltung des notwendigen Bestands an sonstigen Anlagegütern TEUR 150
  • Aufwendungen aus der Abschreibung der langfristigen Anlagegüter TEUR 150 (Baukosten sind nicht in voller höher anerkannt)
  • Altbestand der sonstigen Anlagegüter TEUR 700 mit einer Nutzungsdauer von 10 Jahren
  • Wiederbeschaffung von sonstigen Anlagegütern zum 1.7.2016 für TEUR 100 mit einer Nutzungsdauer von 10 Jahren
  • Wiederbeschaffung von sonstigen Anlagegütern zum 1.1.2017 für TEUR 140 mit einer Nutzungsdauer von 10 Jahren
  • Erträge aus der Refinanzierung der Finanzierungsaufwendungen TEUR 50
  • Zinsaufwand TEUR 53 (Baukosten und Darlehen sind nicht in voller Höhe anerkannt)
  • Die Wartungskosten sind ab 2016 voll durch das investive Ergebnis zu finanzieren. Im Pflegesatz werden insgesamt TEUR 8 gekürzt.
  • Effekte aus der Indexierung werden vernachlässig

Gewinn- und Verlustrechnung

Erklärungbild zur Gewinn- und Verlustrechnung

Vor Inkrafttreten des GEPA (bzw. der APG DVO NRW) erfolgte aufgrund der fehlenden Zweckbindung keine direkte Gegenüberstellung der Erträge und Aufwendungen nach den jeweiligen refinanzierten Teilbereichen.

Die zufließenden Refinanzierungsmittel für langfristige Anlagegüter decken den entstandenen Aufwand nicht, da die Baukosten die Angemessenheitsgrenze überschritten haben. Die nicht refinanzierten Abschreibungen führen dauerhaft zu einem negativen Ergebnis in diesem Refinanzierungsbereich.

Wie ersichtlich ist, werden die Rückstellungsbeträge und die Abschreibungen der sonstigen Anlagegüter (Alt) ab dem 1. Juli 2016 ergebniswirksam. In der fünften Spalte wird die Ergebnisentwicklung nach Mittelübernahme nach § 6 Abs. 4 APG DVO NRW dargestellt. In dieser Darstellungen werden die Instandhaltungsaufwendungen, die über die Jahrespauschale hinausgehen, durch die Auflösung der Verbindlichkeiten nicht verbrauchter Refinanzierungsmittel ausgeglichen.

Bisher war es bei einem überwiegenden Teil der Altenhilfeeinrichtungen der Fall, dass Überschüsse aus der Refinanzierung der Investitionen das negative Betriebsergebnis im Pflegebereich überwiegend ausgeglichen haben.

Bilanz

Erklärungsbild zu Auswirkungen auf die Bilanz

In dieser Tabelle werden die Auswirkungen auf die Bilanz dargestellt. Zur Ermittlung der nicht zweckentsprechend verwendeten Mittel werden die virtuellen Konten in einer Nebenrechnung geführt und weiterentwickelt. Die §§ 4 Abs. 6 und 6 Abs. 4 APG DVO lassen jeweils einen Mitteleinsatz des jeweiligen anderen virtuellen Kontos für wichtige Investitionen zu (siehe Spalte 2017 und 2018). Für die neu angeschafften sonstigen Anlagegüter werden Sonderposten bilanziert. So ist gewährleistet, dass die anfallenden Abschreibungen für die sonstigen Anlagegüter in der Gewinn- und Verlustrechnung in gleicher Höhe durch die Auflösung des Sonderpostens neutralisiert werden. In Spalten 2016 und 2017 werden die Rückstellungsbildung für Instandhaltung und die geringere Zuführung nicht verbrauchter Beträge im Folgejahr in den virtuellen Konten dargestellt. Des Weiteren wird in der Spalte 2018 die Behandlung der Instandhaltungsaufwendungen, die über der Jahrespauschale hinausgehen, dargestellt. In diesem Fall erfolgt eine Entnahme aus dem virtuellen Konto sonstige Anlagegüter.

Fazit:

Der Grundgedanke der Zweckbindung des Gesetzgebers war es, dass die nach Ansicht der Experten notwendigen, aber gleichzeitig auch auskömmlichen Refinanzierungsbeträge zur Instandhaltung und Ersatzbeschaffung auch tatsächlich für Ersatzinvestitionen und notwendige Instandhaltungsmaßnahmen zur Verfügung stehen sollen. Mit den Reglungen in der APG DVO NRW wollte das Land Nordrhein-Westfalen den neuen bundesgesetzlichen Vorgaben gemäß § 82 SGB XI nachkommen. Es ist aber auch Festzustellen, dass weitere Anpassungen der APG DVO NRW notwendig sind, um die Zweckbindung der Mittel sicherzustellen und um insbesondere Regelungen zur Bilanzierung vorzugeben.

Aufgrund des Systemwechsels wirken sich die Abschreibungen auf sonstige Anlagegüter ergebniswirksam aus. Die daraus entstehenden negativen Ergebnisse können bei Pflegeeinrichtungen, die mit geringem Eigenkapital ausgestattet sind, zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Entwicklung bzw. zu einer Bestandsgefährdung führen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich ab dem 1. Juli 2016 erhebliche Auswirkungen für die Rechnungslegung ergeben werden. Die Abschreibungen auf die  sonstigen Anlagegüter (Alt) und die Rückstellungen für Instandhaltung werden das investive Ergebnis belasten. Die Komplexität der Buchführung wird weiter zunehmen. Daher ist es Notwendig, dass die Altenhilfeeinrichtungen frühzeitig vor dem 1. Juli 2016 ihre Buchführung auf die Erfordernisse nach dem APG DVO NRW umstellen. Zu beachten ist, dass im Jahr 2016 sowohl die Rechnungslegung nach dem alten Recht und ab dem 1.Juli 2016 nach dem APG DVO NRW erfolgen muss.

Dieser Artikel wurde im Rahmen des LEXinform Newsletters am 19. Februar 2016 auf der Seite der Datev eG, Nürnberg veröffentlicht.

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