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Befristete Absenkung der Steuersätze bei der Umsatzsteuer

Das Konjunkturpaket der Großen Koalition vom 3. Juni 2020 sieht weitere steuerliche Maßnahmen vor, um die von der Corona-Krise betroffenen Unternehmen steuerlich zu entlasten. So ist neben weiteren Maßnahmen die temporäre Senkung der zurzeit gültigen Umsatzsteuersätze vorgesehen. Die Maßnahme birgt jedoch für Unternehmer große Herausforderungen hinsichtlich der Anwendung des korrekten Umsatzsteuersatzes und der Rechnungsstellung.

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Dipl.- Kfm. Hauke Hübert
Dipl.- Kfm. Hauke Hübert
Leiter der Steuerabteilung
Wirtschaftsprüfer / Steuerberater
Zertifizierter Berater für Gemeinnützigkeit (IFU / ISM gGmbH)

0251 - 48204-21
h.huebert@bpg-muenster.de

Für Umsätze in der Zeit vom 1. Juli 2020 bis einschließlich 31. Dezember 2020 sollen der Regelsteuersatz von 19 % auf 16 % und der ermäßigte Steuersatz von 7% auf 5 % herabgesetzt werden. Der diesbezügliche Gesetzesentwurf ist am 12. Juni 2020 vom Bundeskabinett beschlossen und am 29. Juni 2020 in einer Sondersitzung von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden. Weiterhin existiert bereits ein Entwurf für ein begleitendes BMF-Schreiben, welches weitergehende Informationen hinsichtlich der Auswirkungen der Gesetzesänderung liefert und auf der Internetseite des Bundesministeriums der Finanzen abrufbar ist.

Umsatzsteuer auf Restaurations- und Verpflegungsdienstleistungen

Mit dem ersten Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (sog. Corona-Steuerhilfegesetz) ist bereits eine Umsatzsteuersenkung für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen beschlossen worden. Konkret wird auf Umsätze aus dem Verkauf von verzehrfertig zubereiteten Speisen, die im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis einschließlich 30. Juni 2021 erzielt werden, der ermäßigte Umsatzsteuersatz erhoben (§ 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG). Dies gilt jedoch nicht für Umsätze aus dem Verkauf von Getränken. 

Korrekte Verwendung des gültigen Umsatzsteuersatzes

Auf Lieferungen und Leistungen, die bis einschließlich 30. Juni 2020 erbracht werden, sind die bislang gültigen Steuersätze von 19 % als Regelsteuersatz bzw. 7 % als ermäßigter Steuersatz anzuwenden. Wird eine Leistung oder Lieferung zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. Dezember 2020 erbracht, verringern sich diese Steuersätze auf 16 % bzw. 5%. Ab dem 1. Januar 2021 einschließlich gelten dann wieder die „normalen“ Steuersätze von 19 % und 7 %.

Aufgrund der oben beschriebenen individuellen Gesetzeslage für Restaurant- und Verpflegungsleistungen bedeutet dies für Umsätze dieser Art folgendes: Umsätze aus dem Verkauf von verzehrfertig zubereiteten Speisen, die bis einschließlich 30. Juni 2020 erbracht werden, sind dem Regelsteuersatz von 19 % zu unterwerfen. Ab dem 1. Juli 2020 gilt dann die Ausnahmeregelung hinsichtlich der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Somit unterliegen Restaurant- und Verpflegungsleistungen zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. Dezember 2020 dem dann gültigen ermäßigten Steuersatz von 5 %. Im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis einschließlich 30. Juni 2021 muss auf diese Umsätze der dann wieder gültige ermäßigte Steuersatz von 7 % erhoben werden. Erst ab dem 1. Juli 2021 unterliegen die Restaurant- und Verpflegungsleistungen wieder dem dann gültigen Regelsteuersatz von 19 %.

Leistungsdatum

Wie oben beschrieben ist für die Verwendung des gültigen Steuersatzes das Ausführungsdatum des Umsatzes entscheidend. Eine Lieferung gilt im Zeitpunkt des Übergangs der Verfügungsmacht als erbracht. Wird die Ware versendet, ist dies der Beginn der Beförderung.

Beispiel A

Ein Altenheim gibt am 11. Juli 2020 eine Bestellung über neue TV-Geräte in Auftrag. Die Lieferung soll am 10. Oktober 2020 erfolgen. Die Zahlung in Höhe von 5.800,00 EUR (5.000,00 EUR zzgl. 16 % USt) wird bereits im Juli geleistet. Aufgrund von Produktionsengpässen können die TV-Geräte jedoch erst im Januar 2021 geliefert werden. Somit gilt die Lieferung erst im Januar 2021 als bewirkt und unterliegt – nach aktueller Gesetzeslage – dem Regelsteuersatz von 19 % und wird nicht mehr mit dem abgesenkten Steuersatz von 16 % besteuert.

Bei sonstigen Leistungen ist der Zeitpunkt ihrer Vollendung maßgebend für die Verwendung des korrekten Steuersatzes. Mögliche Teilleistungen können ebenfalls bereits zur Entstehung der Umsatzsteuer führen. Entscheidend ist in diesem Fall, dass wirtschaftlich eine sinnvolle Abgrenzung der einzelnen Teilleistungen möglich ist.

Für die Verwendung des korrekten Steuersatzes ist allein der Ausführungszeitpunkt der Leistung entscheidend. Anzahlungen sind hier nicht von Bedeutung. Sofern bei Anzahlungen der falsche Steuersatz ausgewiesen wurde, müssen diese entweder korrigiert oder im Zuge der Abschlussrechnungen durch Abrechnung der Umsatzsteuer unter Verwendung des korrekten Steuersatzes berichtigt werden. Die Korrektur ist dann in dem Voranmeldezeitraum vorzunehmen, in den das Ausführungsdatum fällt.

Überhöhter Umsatzsteuerausweis

Im Falle der Nichtbeachtung der Senkung der Steuersätze kommt es zu einem überhöhten Umsatzsteuerausweis. In diesem Fall schuldet der leistende Unternehmer gemäß § 14c UStG die überhöht ausgewiesene Umsatzsteuer. Gleichzeitig darf der Leistungsempfänger – sofern er vorsteuerabzugsberechtigt ist – jedoch nur den korrekten und in diesem Fall geringeren Vorsteuerbetrag geltend machen.

Gemeinnützigkeit – Zweckbetriebsleistungen

In der gemeinnützigkeitsrechtlichen Sphäre des Zweckbetriebs werden Leistungen erfasst, mit denen die satzungsmäßigen Zwecke verfolgt werden, für die jedoch keine Umsatzsteuerbefreiungen gelten. Auf Leistungen dieser Art wird gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a UStG der ermäßigte Steuersatz in bisheriger Höhe von 7 % erhoben. Entsprechend oben beschriebener Gesetzesänderung gilt für diese Leistungen im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis einschließlich 31. Dezember 2020 der abgesenkte ermäßigte Steuersatz von 5 %.

Beispiel B

Die Produktionserlöse einer Werkstatt für behinderte Menschen unterliegen bislang dem ermäßigten Steuersatz von 7 %. Für die Umsätze, die zwischen dem 1. Juli 2020 und 31. Dezember 2020 generiert werden, wird nun eine Umsatzsteuer in Höhe von 5 % erhoben.

Beispiel C

Der mobile Mahlzeitendienst eines ambulanten Pflegedienstes, dessen Leistungen zu mindestens 2/3 an hilfsbedürftigen Personen erbracht werden, ist ertragsteuerlich als Zweckbetrieb gemäß § 68 Nr. 1 lit. a AO einzuordnen. Somit sind die Leistungen bis zum 30. Juni 2020 einschließlich mit 7 % Umsatzsteuer zu besteuern. Für Mahlzeitenlieferungen, die ab dem 1. Juli 2020 bis einschließlich 31. Dezember 2020 erbracht werden, gilt nun der abgesenkte ermäßigte Steuersatz von 5 %.

Gemeinnützigkeit – Umsätze im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb

Unterhält eine gemeinnützige Körperschaft einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne des § 64 AO unterliegen die Leistungen dieser Sphäre dem Regelsteuersatz von bislang 19 %. Für Leistungen zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. Dezember 2020 sind nun 16 % Umsatzsteuer zu erheben.

Beispiel D

Ein Altenheim generiert Umsätze aus der Telefonüberlassung an seine Bewohner. Im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis einschließlich 31. Dezember 2020 sind auf diese Umsätze nun 16 % anstatt 19 % Umsatzsteuer zu erheben.

Sofern Umsätze aus Restaurant- und Verpflegungsleistungen im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erzielt werden, muss entsprechend oben beschriebener Ausnahmeregelung eine weitere Differenzierung hinsichtlich des gültigen Steuersatzes vorgenommen werden.

Beispiel E

Die öffentlich zugängliche Cafeteria eines Altenheimes ist ertragsteuerlich dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen. Umsätze, die aus zum Verzehr vor Ort zubereiteten Speisen erzielt werden, unterliegen im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020 dem abgesenkten ermäßigten Steuersatz von 5 %. Zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 30. Juni 2021 werden für derartige Leistungen 7 % Umsatzsteuer fällig. Leistungen dieser Art, die ab dem 1. Juli 2021 erbracht werden, unterliegen dann wieder dem bisherigen Regelsteuersatz von 19 %.

Der Verkauf von Speisen, die zum Außer-Haus-Verzehr abgegeben werden, unterliegt grundsätzlich dem ermäßigten Steuersatz. In der Zeit vom 1. Juli 2020 bis einschließlich 31. Dezember 2020 verringert sich dieser auch für den Verkauf von Speisen von bislang 7 % auf 5 %.

Umsätze aus dem Verkauf von Getränken sind grundsätzlich mit dem Regelsteuersatz zu besteuern, welcher sich für die Zeit vom 1. Juli 2020 bis einschließlich 31. Dezember 2020 auf 16 % verringert. Ab dem 1. Januar 2021 sind Erlöse aus dem Getränkeverkauf dann wieder mit dem bisherigen Regelsteuersatz von 19 % zu besteuern.

Steuersatzsenkung bei langfristig geltenden Verträgen

Langfristige Verträge können allgemeine Vereinbarungen im Hinblick auf die Umsatzsteuer beinhalten (z. B. „Die Leistungen werden unter Berücksichtigung des für die Umsatzsteuer aktuell gültigen Steuersatzes abgerechnet.“). In diesen Fällen erfordert die Steuersatzsenkung keine vertragliche Anpassung. Bei der Abrechnung ist lediglich darauf zu achten, dass für Leistungen, die zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. Dezember 2020 erbracht werden, die herabgesetzten Steuersätze von 16 % bzw. 5 % maßgebend sind.

Schwierigkeiten ergeben sich hingegen bei Verträgen, die einen konkreten Steuersatz hinsichtlich der Umsatzsteuer beinhalten und zudem keine gesonderte Rechnung ausgestellt wird (z. B. Mietverträge). Um in diesem Fall nicht wie oben beschrieben gemäß § 14c UStG die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer abführen zu müssen, ist es notwendig für den Zeitraum der Steuersatzsenkung eine Zusatzvereinbarung zu treffen.

Wird in einem Vertrag ein Bruttopreis, also eine Art Festpreis, vereinbart, ohne dass genauere Angaben zum anzuwendenden Umsatzsteuersatz gemacht werden, ist § 29 UStG zu beachten. Demnach kann der Leistungsempfänger den Ausgleich der Umsatzsteuerdifferenz, die sich aus der Senkung der Steuersätze ergibt, vom Leistungserbringer einfordern, sofern der zugrundeliegende Vertrag vor dem 1. März 2020 geschlossen worden ist. Bei Verträgen ab dem 1. März 2020 besteht dieser Ausgleichsanspruch nicht.

Beispiel F

Der Vertrag über Essenslieferung mit einer hilfsbedürftigen Person, der nur einen Festpreis ohne nähere Angaben über den Umsatzsteuersatz enthält, ist am 15. Januar 2020 geschlossen worden. Für die Essenslieferungen, die zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. Dezember 2020 erbracht werden, hat der Kunde Anspruch auf den Ausgleich der Umsatzsteuerdifferenz zwischen 7 % und 5 %.

Bauleistungen – Teilleitungen

Werklieferungen und -leistungen gelten grundsätzlich dann als ausgeführt, sobald die Ausführung vollständig erbracht ist; häufig stellt dies die Abnahme durch den Auftraggeber dar. Sofern die einheitliche Leistung jedoch in wirtschaftlich abgrenzbare Teile aufgeteilt werden kann, besteht die Möglichkeit Teilleistungen zu vereinbaren, welche bei vollständiger Erbringung gesondert abgerechnet werden. Auf (Teil-)Leistungen, die zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. Dezember 2020 erbracht werden, entfällt somit die gesenkte Umsatzsteuer in Höhe von 16 % bzw. 5 %.

Voraussetzung für das Vorliegen einer Teilleistung ist jedoch, dass diese vertraglich vereinbart ist. So muss im Vertrag eine eigene Abnahme der Teilleistung sowie ein gesondertes Entgelt festgehalten sein. Sofern dies nicht der Fall ist und wirtschaftlich abgrenzbare Teilleistungen im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020 erbracht werden, wäre es sinnvoll diesbezüglich Vereinbarung bis zum 31. Dezember 2020 zu schließen, um die gesenkten Umsatzsteuersätze in Anspruch nehmen zu können.

Beispiel G

Ein Immobilieninvestor beauftragt einen Bauunternehmer zwei Wohnhäuser zu errichten und schlüsselfertig zu übergeben. Es ist vertraglich geregelt, dass die beiden Wohnhäuser gesondert abgenommen und abgerechnet werden. Somit sind die Lieferungen der beiden einzelnen Häuser Teilleistungen. Das erste Wohnhaus wird am 30. November 2020 abgenommen und das zweite Haus am 1. Februar 2021. Somit sind für das erste Wohnhaus die gesenkten Umsatzsteuersätze in Höhe von 16 % bzw. 5 % maßgebend und für das zweite die bislang geltenden Sätze von 19 % bzw. 7 %.

Fazit

Neben den wirtschaftlichen Vorteilen der Umsatzsteuersenkung bringt diese für Unternehmer einen hohen administrativen Aufwand mich sich. Zum einen ist nun genaustens darauf zu achten, dass das Leistungsdatum korrekt bestimmt wird. Zum anderen müssen die Abrechnungs- und Buchhaltungssysteme an die gesenkten Steuersätze angeglichen sowie möglicherweise bestehende Verträge angepasst werden. Weiterhin wird es zu Mehraufwand im Rahmen der Steuerdeklaration kommen, sei es in Bezug auf die Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum der Steuersatzänderungen oder hinsichtlich der Umsatzsteuerjahreserklärungen 2020 und gegebenenfalls 2021 bei erbrachten Restaurationsleistungen.

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