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Ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts NRW zur Höhe der Angemessenheitsgrenze bei Pflegeeinrichtungen könnte weitreichende Folgen haben

Eine aktuelle Entscheidung des Landessozialgerichts NRW gibt einer Altenhilfeeinrichtung recht, die die Höhe der Angemessenheitsgrenze bemängelt hat.

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Die Durchführungsverordnung zum Altenpflegegesetz NRW (APG DVO) wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Insbesondere bei der Berechnung von Investitionskosten kommt es immer wieder zu Streitigkeiten hinsichtlich der Höhe der Refinanzierungsbeträge.

Eine aktuelle Entscheidung des Landessozialgerichts NRW (LSG NRW, Urteil vom 24. November 2022, Aktenzeichen L 5 P 60/19) betrifft eine Pflegeeinrichtung, die erfolgreich gegen den Landschaftsverband Rheinland (LVR) geklagt hat. Der LVR hatte im Rahmen der Anerkennung der Investitionsaufwendungen für eine im Jahr 2013 in Betrieb genommene Pflegeeinrichtung die damals geltende Angemessenheitsgrenze von 1.705 € je Quadratmeter (85.250 € je Pflegeplatz) angewendet und die tatsächlichen Baukosten auf die Angemessenheitsgrenze gedeckelt.

Mit Inkrafttreten der APG DVO NRW im Jahr 2014 wurde die Angemessenheitsgrenze, die in den Jahren 2008 bis 2013 unverändert bei 1.705 € je Quadratmeter lag, erhöht und auf 1.887 € je Quadratmeter festgelegt. In den nachfolgenden Jahren 2015 bis 2019 erfolgte dann eine Indexierung dieses Betrags entsprechend der Baukostenentwicklung in NRW.

Im Rahmen der Novellierung der APG DVO NRW im Jahr 2020, wurde die Beratungsgesellschaft „Partnerschaft Deutschland“ damit beauftragt, die geltenden Angemessenheitsgrenzen zu überprüfen. In ihrer Studie kam die Gesellschaft zu dem Ergebnis, dass der Bau einer Altenhilfeeinrichtung zu den geltenden Angemessenheitsgrenzen nicht möglich sei und ein Betrag von 2.378,16 € je Quadratmeter Nettoraumfläche erforderlich wäre. Infolgedessen hob das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales die Angemessenheitsgrenze um rd. 15 % auf den von der Partnerschaft Deutschland ermittelten Betrag an. In den nachfolgenden Jahren wurde der festgelegte Betrag dann wieder entsprechend der Baukostenentwicklung indexiert.

Die klagende Einrichtung bemängelte, dass die Angemessenheitsgrenze nicht auch für die Vergangenheit angepasst wurde. Der Argumentation des Klägers ist das Landessozialgericht in seinem Urteil vom 24. November 2022 gefolgt und hat den LVR dazu verpflichtet, auch für die Vergangenheit höhere Angemessenheitsgrenzen zu berücksichtigen.  

Die Entscheidung des LSG könnte weitreichende Folgen für Pflegeeinrichtungen haben, deren Baukosten in der Vergangenheit aufgrund der bestehenden Angemessenheitsgrenzen nicht in vollem Umfang berücksichtigt worden sind. Welche Einrichtungen konkret von dieser Entscheidung profitieren können, lässt sich abschließend erst nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe und ihrer Analyse beurteilen. Vorbehaltlich dieser Analyse ist aber zu erwarten, dass das Urteil für Pflegeeinrichtungen, deren Investitionskosten in der Vergangenheit vollständig anerkannt wurden, wohl keine Auswirkungen haben wird. Auch Pflegeeinrichtungen, die nach dem 1. Januar 2020 einen Neubau in Betrieb genommen haben oder aktuell einen Neubau planen, werden voraussichtlich keine Vorteile aus der Entscheidung des LSG NRW ziehen können. Zu beachten ist, dass eine Korrektur der Angemessenheitsgrenze für die Vergangenheit zu einer Erhöhung der Restwerte führt und das Baubudget für eine möglicherweise anstehende Baumaßnahme reduzieren wird.

Alle anderen Pflegeeinrichtungen werden zu prüfen haben, ob durch die Rechtsprechung des LSG NRW eine günstige Veränderung der Rechtslage eingetreten ist und sie in laufende Widerspruchs- oder Klageverfahren einzubringen ist. Für bestandskräftige Bescheide bestünde die Möglichkeit, einen Überprüfungsantrag zu stellen.

Weiterhin zu beachten ist, dass allein eine behördliche Anpassung des Festsetzungsbescheids nicht automatisch zu (angemessenen) Mehreinnahmen einer Einrichtung führt. Aufgrund des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses (Behörde / Einrichtung / Bewohnende) muss der jeweilige Wohn- und Betreuungsvertrag angepasst werden. Eine solche Anpassung kann gemäß § 9 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) erst 4 Wochen nach schriftlicher und begründeter Ankündigung erfolgen. Gesetzgeber und Rechtsprechung stellen strenge Maßstäbe für die Wirksamkeit solcher Ankündigungsschreiben auf, sodass hier weitere Fallstricke lauern.

Eine detaillierte Analyse der Entscheidung erfolgt an dieser Stelle, sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen.

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