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Grundsteuerfreiheit für vollstationäre Pflegeeinrichtungen

Ob eine als gemeinnützig anerkannte GmbH, die eine vollstationäre Pflegeeinrichtung für demenzkranke Bewohner betreibt, die Grundsteuerbefreiung gemäß §§ 3 bis 5 Abs. 1 Grundsteuergesetz in Anspruch nehmen kann, hatte jüngst das Finanzgericht Münster zu entscheiden.

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 Rechtsanwältin Simone Scheffer
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Hintergrund

Grundbesitz von steuerbegünstigten Körperschaften ist gemäß § 3 in Verbindung § 5 Abs. 1 Grundsteuergesetz (GrStG) von der Grundsteuer befreit, soweit der Grundbesitz für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke genutzt wird. Die Grundsteuerbefreiung entfällt, soweit der Grundbesitz Wohnzwecken dient und die grundsteuerlichen Merkmale einer Wohnung nach § 5 Abs. 2 GrStG erfüllt sind. Ob eine als gemeinnützig anerkannte GmbH, die eine vollstationäre Pflegeeinrichtung für demenzkranke Bewohner betreibt, die Grundsteuerbefreiung in Anspruch nehmen kann, hatte jüngst das Finanzgericht Münster zu entscheiden (Urteil vom 13.12.2018, Az: 3 K 34/16 EW).

Sachverhalt

Die Einrichtung wird überwiegend von Menschen mit schwerer und mittelschwerer Demenz bewohnt. Fast 70 % der Bewohner können sich nicht selbst versorgen und bedürfen ständiger Betreuung. Die Bewohner können ihre Zimmer von innen und außen verschließen. Von außen können diese Türen vom Personal wegen brandschutzrechtlicher Vorschriften geöffnet werden, da sog. Blindzylinder verbaut sind. Sämtliche Zimmer sind mit einer behindertengerechten Nasszelle ausgestattet. Sie sind insgesamt 20 qm groß. Von den Zimmern gelangt man über einen Flur zu einem Gemeinschaftsraum mit einer Küche, in der für die Bewohner täglich gekocht wird. Bis 18 Uhr können Besucher die Wohnanlage durch eine automatische Tür betreten. Für die gesamte Wohnanlage gibt es nur eine Klingel. Bei einer Betriebsprüfung zählte das Finanzamt den Gemeinschaftswohnraum und den Flurbereich zur Fläche der Wohnräume und sah die Merkmale einer Wohnung nach § 5 Abs. 2 GrStG als erfüllt an. Es erging ein entsprechender Grundsteuerbescheid, gegen den die Betreiberin der Einrichtung nach erfolglosem Einspruch Klage erhob.

Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgerichts Münster waren unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Merkmale einer Wohnung vorliegend nicht erfüllt mit der Folge, dass der Einrichtung die Grundsteuerbefreiung zu gewähren ist.   Unter einer Wohnung sei eine Mehrzahl von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass sie die Führung eines selbständigen Haushalts auf Dauer ermöglichen. Erforderlich sei, dass eine bestimmte Fläche nicht unterschritten wird und die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Einrichtungen wie Kochgelegenheit, Bad oder Dusche mit Toilette vorhanden sind. Zudem müsse eine bauliche Trennung von anderen Wohnungen gegeben sein und eine in sich abgeschlossene Wohneinheit mit eigenem Zugang vorliegen. Entscheidend für das Vorliegen einer Wohnung ist nach Auffassung des Finanzgerichts Münster auch, dass fremde Dritte keinen Zugang haben. Der freie Zugang von Besuchern zur Wohnanlage bis 18 Uhr und die Möglichkeit, die Türen der Zimmer der Bewohner wegen der eingebauten Blindzylinder von außen zu öffnen, schließe die Annahme einer Wohnung vorliegend aus. Zudem sei die Einrichtung eher mit einem Krankenhaus vergleichbar als mit einer Wohnung. Das Gebäude sei so konzipiert worden, dass die pflegerische Versorgung im Vordergrund stehe und der Betrieb von dem Wechsel einzelner Bewohner unabhängig sei.

Fazit

Die Entscheidung hat große Bedeutung für die Grundsteuerfreiheit von Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe. Das Urteil enthält klare Abgrenzungskriterien für die Frage, unter welchen Voraussetzungen Wohnangebote den Begriff der Wohnung erfüllen und die Grundsteuerbefreiung ausschließen. Die Revision wurde zugelassen, da eine große Zahl vergleichbarer Fälle in verschiedenen Bundesländern betroffen ist.

Ausblick

Werden Räume, die zuvor für steuerbegünstigte Zwecke verwendet wurden, für steuerpflichtige Aktivitäten genutzt, so ist diese Nutzungsänderung innerhalb von drei Monaten gemäß § 19 GrStG der Finanzverwaltung anzuzeigen. Dieser Nutzungswechsel führt regelmäßig zur teilweisen Versagung der Grundsteuerbefreiung nach § 3 GrStG. Betreiber entsprechender Einrichtungen sollten prüfen, inwieweit aufgrund einer nicht steuerbegünstigten Nutzung von Grundstücken eine Grundsteuerpflicht begründet wird. Die Finanzverwaltung hat diese Thematik aufgegriffen und kontaktiert Einrichtungen, um eine Überprüfung der Nutzungsverhältnisse vorzunehmen.

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